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Straight from the Source: Thomas Böcker (Final Symphony) [Deutsche Version]

 

Videospielmusik Orchester-Konzerte sind ja mittlerweile weiter verbreitet und man hat heutzutage selbst jenseits Japans eine recht gute Auswahl um ein Videospielmusik-Konzerte zu besuchen. Aber das war nicht immer so. Früher sind viele Konzerte in Japan verblieben und …bis Thomas Böcker sich eingesetzt hat und Videospielmusik-Konzerte zu mehr Popularität in unserer Region verholfen hat. Er produziert viele Orchester-Konzerte wie “Final Symphony – music from Final Fantasy” oder “Symphonic Legends – music from The Legend of Zelda” und wird als Pionier der sinfonischem Videospielmusik angesehen.

Vor einigen Tagen war er mit seinem aktuellen Projekt “Final Symphony” in Hong Kong unterwegs und auch sein nächstes Projekt steht schon in den Startlöchern mit “We Love Videogame Music” in Stuttgart (Tickets können hier vorbestellt werden).

Wir hatten die Gelegenheit gehabt mit Herrn Böcker via Email-Austausch über seine Karriere zu reden, über seine Liebe zu Musik, Videospielen und besonders zu – Videospielmusik!

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Vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben trotz ihrem vollen Terminkalender, Herr Böcker. Möchten Sie sich kurz unseren Lesern vorstellen?

Sehr gern! Ich arbeite seit über 15 Jahren als Produzent im Bereich orchestraler Spielemusik, d. h. ich koordiniere und veranstalte einerseits Konzertaufführungen wie die Welttournee „Final Symphony – music from Final Fantasy“ mit Soundtracks von Nobuo Uematsu und Masashi Hamauzu. Andererseits bin ich involviert in Studioaufnahmen wie zur „Turrican“-Serie von Chris Hülsbeck, die erfolgreich über Crowdfunding ermöglicht wurden.

Was hat Ihre Faszination für Videospielmusik begonnen und Ihren Wunsch gefördert hat, Ihre Karriere mit Videospielmusik zu verbringen?

Ich hatte das große Glück, als Kind einen Commodore 64 geschenkt zu bekommen – und die elektronischen Klänge des SID-Chips haben mich sofort in ihren Bann gezogen, speziell zu „Giana Sisters“, „To be on Top“ und „The Last Ninja“.

Die Spielemusik-Welt hat mich derart fasziniert, dass ich 1999 den Entschluss fasste, selbst tätig zu werden. Für „Merregnon“ lud ich einige der Helden meiner Jugend wie Yuzo Koshiro, Allister Brimble und Gustaf Grefberg ein, Musik für eine kleine Fantasy-Geschichte beizusteuern, die ich verfasste. Die Kompositionen wurden auf CDs veröffentlicht. Im Booklet konnte man die Handlung nachlesen und die Illustrationen auf sich wirken lassen, aber klarer Fokus lag selbstredend auf dem Soundtrack. Während Teil 1 noch komplett am Sampler entstand, gab es für Teil 2 den Schritt zum Orchester. Der Großteil des Teams schrieb so damals erstmals Partituren, angeleitet vom Dirigenten Andy Brick. Hier zeichnete sich der spätere Berufsweg wohl ab – Liebe zur Musik, Freude daran, mit Künstlern zusammen zu arbeiten und spannende Projekte zu produzieren, das war immer meine Triebfeder. Es gibt nichts Schöneres für mich, als ein Projekt zu konzipieren und umzusetzen; von der ersten kleinen Idee bis zur Veröffentlichung.

Sie haben seit sehr langen Zeit viele Konzerte basierend auf Videospielmusik produziert. Können Sie sich erinnern wie alles begonnen hat?

Es begann damit, dass ich über diese Art Veranstaltungen in einem Spielemagazin las – zu dieser Zeit gab es sie nur in Japan. Darüber war ich enttäuscht, ich sah Potenzial auch in unseren Gefilden. Durch „Merregnon“ hatte ich Erfahrungen und Kontakte gesammelt, was mich ermutigte, 2002 der Leipziger Messe ein Konzept zu schicken. Ich wurde eingeladen und bekam grünes Licht: Ein Jahr später hallten erstmals Spielemusik-Klänge durch das Leipziger Gewandhaus.

WDR Radio Orchestra Cologne und FILMharmonic Choir in der Aufführung Symphonic Shades in Köln

Damals wurden Videospiele als Unterhaltung für Kinder und Teenager abgetan, besonders in Deutschland. Wie schwierig war es, das „First Symphonic Game Concert“ in Leipzig zu ermöglichen?

Mein Vorteil war natürlich, dass ich mit der Leipziger Messe einen Partner gefunden hatte, der eine würdige Form Veranstaltung suchte, die damalige Games Convention zu eröffnen. Perfektes Timing. Kniffliger war es schon eher, all die Spielehersteller ins Boot zu holen und Verantwortliche zu finden, die über Lizenzierungen entscheiden durften. Man darf nicht vergessen, dass dies ein komplett neues Aufgabenfeld für die meisten war.

In Hinblick auf die Organisation und Zusammenarbeit der Spielehersteller, wurde es in den Jahren einfacher und hat sich verbessert oder gibt es auch heute noch ein einige organisatorische Schwierigkeiten, die Sie an früher erinnert?

Prinzipiell kann ich schon sagen, dass sich vieles verbessert hat – mit Ausnahmen, auf die ich später eingehen werde. Viele Hersteller von Indie-Spielen erlauben ihren Komponisten z. B., dass die Musik ohne große rechtliche Restriktionen in Konzerten aufgeführt werden darf. Das finde ich sehr löblich, denn letztlich profitieren alle davon, wenn sie live präsentiert wird.

Wie entscheiden Sie welche Musik von Spielen in Konzerte hinzugefügt werden wie z.B. „We Love Video Game Music“? Worauf achten Sie, wenn Sie Musik aussuchen für ihre Konzerte?

Bei dieser Reihe versuchen wir, die Hemmschwelle für Menschen zu senken, die vielleicht nicht so tief in der Materie stecken, aber offen für Neues sind. Hierfür eignen sich natürlich Casual-Spiele hervorragend. Daneben gibt es aber für Kenner Soundtracks aus „Final Fantasy“ usw. Entscheidend für mich ist letztlich, dass es künstlerisch passt und wir ein unterhaltsames, wertiges Programm präsentieren.

In Ihrem kommenden Konzert „We Love Video Game“ in Stuttgart haben Sie eine Angry Birds Medley hinzugefügt. Wie viel Inspiration kann man von einer einzigen Titelmelodie schöpfen?

Das ist in der Hauptsache die Herausforderung für den Arrangeur, in dem Fall Jonne Valtonen, der für seine Phantasie bekannt ist und die Klangpalette eines Orchesters gewitzt nutzen kann. Er hat mit viel Humor gearbeitet, um den Kampf Vögel gegen Schweine in eine musikalische Geschichte zu packen. Es reicht nicht, sich lediglich auf die Melodie zu konzentrieren. Gleichzeitig muss die Atmosphäre des Spiels eingefangen werden.

Videospiel-Musik ist oft verknüpft mit dem Spieler und dessen Erfahrung und Nostalgie mit diesem Spiel. Wie schwierig ist es den Erwartungen der Spieler und des Publikums gerecht zu werden in einem Videospiel-Konzert?

Wirklich schwierig ist es nicht, denn mit relativ einfachen Mitteln lässt sich das Nostalgie-Gefühl der Fans wecken. Nur ist das nicht unser alleiniger Anspruch. Ziel ist schließlich, auch Nichtkennern Unterhaltung zu bieten, weswegen das bloße Nachspielen einer bekannten Melodie nicht ausreicht. Seriös gelöst benötigt ein Arrangement für ein Konzert Kontext, denn schließlich war der ursprüngliche Gedanke des Soundtracks, das Geschehen zu untermalen. Deswegen ist es die Aufgabe von Arrangeuren wie Jonne Valtonen oder Roger Wanamo, diese Ebene musikalisch hinzuzufügen.

Sie haben mit vielen Musik-Komponisten für Videospiele wie Nobuo Uematsu und Yoko Shimomura gearbeitet. Wie war es mit ihnen zu arbeiten und können Sie sich an schöne Momente erinnern?

2015 waren wir mit dem London Symphony Orchestra für „Final Symphony II“ auf Japan-Tournee, Aufführungen fanden in Osaka und in Yokohama statt. Beim letzten Konzert war ich mit Herrn Uematsu Backstage: Er kam auf die Idee, beim abschließenden Titel des Abends in den Saal zu schleichen um die Reaktionen zu erleben. Untypisch für die zurückhaltende japanische Mentalität gab es Standing Ovations – was Herrn Uematsu so emotional ergriff, dass er mich umarmte. Das war sicherlich einer der schönsten Momente meiner Karriere, weil das gesamte Szenario stimmig gewesen ist. Das London Symphony Orchestra ist eines meiner Lieblingsorchester, ein Spitzen-Klangkörper sondersgleichen. Die Chance, auf eine Tournee ins wunderschöne Japan zu gehen; im Übrigen ein Novum, niemals zuvor hatte dort ein ausländisches Orchester Spielemusik präsentiert – und diese Reaktion eines Komponisten, den ich achte und respektiere. Viel mehr kann man sich auf diesem Sektor eigentlich nicht wünschen.

Sie haben an eine beachtliche Anzahl von großen Musik-Projekten hinter sich, worauf Sie sicherlich sehr stolz sind. Wenn Sie die Wahl erhalten würden an einem Konzert für ein Spiel einer Franchise zu arbeiten, an dem Sie noch nicht gearbeitet haben, an welchem wären Sie am meisten interessiert?

Nach all den Final Fantasy-, Legend of Zelda-, Square Enix- und Nintendo-Konzerten bzw. Veranstaltungen, die Komponisten wie Chris Hülsbeck und Nobuo Uematsu gewidmet waren, wäre für mich wahrscheinlich am spannendsten, wieder Möglichkeiten einer eigenen Marke auszuloten.

Hätten Sie da eine Vorstellung in welchem Rahmen Sie eigene Musik kreieren wollen? Als Konzert, als CD-Veröffentlichung oder vielleicht was in einem außergewöhnlichem neuem Format?

Ganz allgemein gesagt, wäre wohl ein ‚back to the roots‘ als Herausforderung am interessantesten, d. h. ein Projekt a la „Merregnon“ mit vollständiger künstlerischer Kontrolle. Solche Produktionen könnten im Prinzip alles sein: CD, Schallplatte, Sammler-Edition, Konzert…dem Ganzen sind rein theoretisch keine Grenzen gesetzt, das Wissen ist vorhanden.

In den letzten Jahren wurden Videospiel-Konzerte immer beliebter und mehr Videospiel-Konzerte wie Nintendo investieren in Konzerte weltweit. Können Sie sich erklären warum dieses Konzert-Format immer beliebter wird?

Das hängt sicherlich mit dem allgemeinen Wachstum dieser Industrie zusammen. Es gibt eine riesige, potentielle Zielgruppe, die über Publisher zudem z. B. über soziale Medien oder Newsletter angesprochen werden kann. Zumeist sind es aber nicht die Hersteller selbst, die diesen Schritt wagen – vielmehr lizenzieren sie an Veranstalter und Agenturen.

Speziell die „Legend of Zelda“-Reihe hat den großen Vorteil, von Jung wie Alt gespielt zu werden; ein Fakt, der sich auf das Konzertpublikum entsprechend niederschlägt und ganze Familien anlockt.

Viele Ihrer Videospiel-Konzerte beinhalten eine große Auswahl an Musik von der Final Fantasy-Reihe. Was ist es, was Sie immer zurück bringt zu Produktionen von Final Fantasy-Konzerte oder Konzerte über andere Square Enix-Eigentümern?

Es ist schlicht die Musik. Japanische Rollenspiele bieten eine große Palette unterschiedlicher Melodien, die zugeschnitten sind auf teilweise komplexe Hintergrundgeschichten. D. h. meine Arrangeure können aus einem beachtlichen Pool toller Themen schöpfen, die sich in den Partituren erzählen lassen und als musikalische Geschichte funktionieren. Für alle beteiligten Künstler ist das der Idealzustand.

Square Enix ist in der Regel bekannt als Verlag, die sehr streng mit der Lizenz ihrer Musik sind. Trifft das auch auf Ihre Beziehung mit Square Enix zu oder ist Square Enix offen gegenüber Musik-Projekte entgegen dem allgemeinen Glauben?

Es gibt nach 15 Jahren selbstredend ein Vertrauensverhältnis mit Square Enix, was jedoch nichts daran ändert, dass offiziell lizenzierte Produktionen wie „Final Symphony“ mit Genehmigungsprozessen verbunden sind, was jeden Aspekt anbelangt. Square Enix ist sicherlich eine der japanischen Spielefirmen, die ein großes Interesse an der kommerziellen Auswertung ihrer Spielesoundtracks haben; wagt man sich jedoch an „Final Fantasy“, also eine der wichtigsten Marken des Herstellers, muss man mit Restriktionen rechnen; was aber aus meiner Sicht völlig verständlich ist.

Ich finde es auch verständlich, dass man einer seiner stärksten Marken besonders schützen will. Können Sie uns Beispiele nennen, was für Restriktionen es seitens von Square Enix gab?

Nun, das ist sicherlich keine Eigenheit von Square Enix — wie bei allen großen Marken gibt es bestimmte Regeln zu befolgen; alle Aspekte einer solchen Produktion bedürfen vorheriger Genehmigung, sei es für Texte, Artworks oder eben Musik.

Vielleicht ein Beispiel zu Nintendo: Als wir erstmals Musik aus „The Legend of Zelda“ spielten in Leipzig, wanderte die Partitur zuvor nach Japan [zu Nintendo] und es kam Feedback a la „Bitte in Takt X, für Instrument Y die Note Z ändern in…“. Es wird nichts dem Zufall überlassen, jedes Detail wird kontrolliert. Wer so professionell arbeiten kann, hat allerdings keine Probleme mit diesen Firmen.

Was wären ihre Wünsche und Hoffnungen für die Zukunft der Videospiel-Konzerte?

Ich fände schön, wenn Hersteller wie Nintendo wieder offener würden, wenn es um die Aufführung ihrer Musik geht. Leider wurde es über die Jahre immer schwieriger, trotz guter Beziehungen, eine Erlaubnis zu bekommen, was meiner Meinung nach eine Fehlentwicklung ist. Gerade mit diesen Soundtracks wäre es möglich, die musikalische Bildung jüngerer Zuhörer zu fördern. Vor Jahren organisierte ich für ein Orchester in Deutschland ein Schulkonzert mit Melodien aus „Super Mario Galaxy“, was auf große Begeisterung stieß. Ich denke, davon sollte es wieder – fernab kommerzieller Erwägungen – mehr geben.

Wären Sie interessiert, originale Musik für Videospiele zu produzieren? Und wenn ja, an welcher bestehenden Spiel-Reihe wären Sie am meisten interessiert?

Zusammen mit Jonne Valtonen habe ich das bereits getan. Er schrieb Arrangements für „Mobile Suit Gundam: Side Stories“ und „Street Fighter V“ usw. Besonders eindrucksvoll sind seine Eigenkompositionen zu „Albion Online“, dessen kompletter Soundtrack vom FILMharmonic Orchestra Prague aufgenommen wurde.

Oh, das wusste ich gar nicht und ich hab das Gefühl, viele unserer Leser wussten das auch nicht. Können Sie uns kurz die Titel Ihrer Arrangements nennen?

Bei „Gundam“ ist das ehrlich gesagt schwierig, da die Arbeitstitel meist nicht den finalen Bezeichnungen entsprechen.

Für „Street Fighter V“ war es z. B. „Theme of Urien“ und für „Dragon’s Dogma“ war mein Team für die Orchestrierung der meisten Stücke verantwortlich. Auch haben wir an verschiedenen Arcade-Titeln von SEGA mitgewirkt, wie „Derby Owners Club“ oder „World Club Champion Football“.

Um das Interview abzuschließen, haben Sie noch ein paar letzten Worte für unsere Leser?

Mir bleibt nur, mich von Herzen für die Treue der Fans über die letzten 15 Jahre zu bedanken!

Viele Dank für dieses Interview